Giessen: Riesige Kastanie am City-Center stürzt um

Wie durch ein Wunder keine Personen verletzt – Hausfassade beschädigt – Warnungen eines Gutachtens nicht beachtet?

GIESSEN (jl). Bis in den benachbarten Seltersweg und die Bahnhofstraße konnte man das Krachen, Bersten und Klirren hören, als gestern – eine Minute nach 16 Uhr – die riesige, etwa 100 Jahre alte Kastanie in der Katharienengasse umstürzte und ihre Krone gegen die gegenüberliegende Hausfassade stürzte. Dass keine einzige Person in der um diese Zeit doch recht belebten Fußgängerzone auch nur den kleinsten Kratzer abbekommen hat, ist mehr als ein Wunder, zumal der Baum auch Teile des daneben liegenden Spielplatzes unter sich begrub. Dass es keine Verletzten gegeben hatte, war zunächst aber nicht klar. Und deswegen rückten sofort Rettungswagen, Notarzt, Feuerwehr und Polizei an der Unglücksstelle an und sperrten recht schnell den Gefahrenbereich ab.
Mehr als deutlich stach die Ursache für das Umstürzen des Baumes ins Auge: Wurzeln hatte die Kastanie offensichtlich gar keine mehr. Der gesamte Stumpf war abgefault. Dass der Baum vor fünf Wochen bei einem Standfestigkeitstest einer Zugkraft von mehreren Tonnen widerstanden hatte, erscheint angesichts seines nun offenbarten Zustandes unfassbar.
Über diesen, von der Stadt bei einem Baumstatiker aus Bad Vilbel in Auftrag gegebenen Test am 27. Februar, hatte der Anzeiger noch berichtet. Im September vergangenen Jahres hatte sich der Baum aus seiner an der Wand des City-Centers angebrachten Verankerung gelöst. Daraufhin wurde durch das Gartenamt die Krone gelichtet. Zudem wurden neue Halteseile angebracht, die jedoch gestern wie morsche Schnürsenkel zerrissen. Als sich der Baum trotz der Maßnahme merklich weiter neigte, wurde das Gutachten im Hinblick auf die Verkehrssicherheit in Auftrag gegeben.
Dieses Ergebnis muss aber inzwischen der Stadt vorgelegen haben, wie der Anzeiger in Erfahrung bringen konnte. Dieses soll auch den Rat beinhalten, umgehend Maßnahmen zu ergreifen. Welche, konnte die für das Gartenamt zuständige Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich gestern Nachmittag dem Anzeiger auf Anfrage nicht nennen. Sie kenne den Inhalt des Gutachtens noch nicht. Vertreter des Gartenamtes vor Ort aber offensichtlich schon, anders war das betretene Schweigen angesichts der Zerstörung aber auch der Erleichterung, dass keine Personen zu Schaden gekommen waren, nicht zu deuten.
Bereits kurz nach ihrem Eintreffen begannen die Kräfte der Berufsfeuerwehr über die Drehleiter, die gegen ein Haus gestürzte Krone zu zersägen. Diese hatte im zweiten Obergeschoss fünf Fenster einer Arztpraxis zertrümmert und die Fassade beschädigt. Den Rest des Baumes entfernten später Mitarbeiter des Gartenamtes. Dabei kam es offensichtlich in der Aufregung noch zu einem weiteren Zwischenfall. Bei der Anfahrt eines Lkws blieb dieser im Reichensand mit dem vermutlich nicht weit genug herabgesenkten Ladekran an der Fußgängerbrücke des Parkhauses hängen und riss Verkleidungsteile herunter.

Quelle: Giessener Anzeiger vom 3.04.2008

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